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Unterthingau

Unterthingau liegt 9 km westlich von Marktoberdorf, inmitten der Talebene der Ach (Kirnach)und von derselben in zwei Hälften getrennt, entwickelte es sich zu einem Haufendorf. Nach wissenschaftlicher Untersuchung bedeutet Tingau, Gau oder Gäu des Tuno.

Der Kemptener Wald dehnte sich, wenn nicht über die ganze heutige Thingauer Flur, so doch über den größten Teil derselben aus, nämlich von Görisried über das Achtal bis Aitrang und im Westen über die Thingauer Filialdörfer bis gegen Obergünzburg.

Das Alpenvorland mit seinem Sümpfen, Mooren und weit ausgedehnten dichten Wäldern lockte die einwandernden Alemannen nach dem Fall der römischen Kastelle zwischen Iller und Lech nicht zur Niederlassung.

Mit der endgültigen Eingliederung des Herzogtum Schwaben im Jahre 741, wenn nicht schon 730 durch die Franken, wurde es vollständig unter ihre Verwaltung genommen. Eine gewaltige Anzahl von Gütern und Boden war mit dem Übergang Schwabens an den Frankenkönig gefallen.

Deshalb dürfte zwischen 730 und 740 ein zum fränkischen Gefolge gehörender Mann, namens Tuno, als königlicher Beamter in die Achebene des heutigen Unterthingau gekommen sein und bestimmte rechts der Ach an einer höher gelegenen Stelle den Ort (wo heute das Schloss steht) seine Niederlassung, welche dann die Bezeichnung Reichs- oder Königshof erhielt und Sitz der Gaugrafen des Keltensteingaues und Zentenare wurde. Von ihm ging auch die Urbarmachung von Teilen des Kemptener Waldes aus (Görisried, Kraftisried).

Nach der am 18. Januar 943 zu Fritzlar ausgestellten Urkunde überlässt König Otto der Große den Reichshof zu Tingau mit all seinem Zubehör als Eigen dem Stift Kempten.

Der Reichshof sinkt nun zum Herrschafts- oder Maierhof herab.
Um die gleiche Zeit gegen 950 schenkte der Augsburger Bischof Ulrich dem Kloster einen Hof in Tiuoningowe. Im Jahre 1004 hält sich Kaiser Heinrich II. der Heilige mit großem Gefolge auf seinem Zug nach Italien einige Tage hier auf. 1450 ersteht das Dorfgericht für niedere Gerichtsbarkeit.

Kaiser Friedrich III. verleiht am 4. Februar 1485 dem Abt von Kempten für sein Dorf Thingau das Marktrecht mit Abhaltung zweier Jahrmärkte nebst Stock und Galgen aufzurichten und daselbst "den Bann über das Blut" auszuüben. Der noch 1530 erwähnte Burggraben bei Haus Nr. 24 (Marktplatz 4) dürfte mit der im 11. Jahrhundert angelegten kleinen Burg, der Vorgängerin des Schlosses, zusammenhängen und könnte der Sitz der 1172 bis um 1390 genannten Herren von Thingau gewesen sein. Auf jeden Fall war das Schloss schon seit 1408 Mittelpunkt des kemptischen Besitzes, nachdem es dieses Eigengut, welches zu Lehen ausgetan war, wieder zurückerwarb.
Seit 1485 Sitz der Stiftkemptischen Vögte (1539 Schloss Westerried), ab 1642 bis zur Säkularisierung des Stift Kempten im Jahre 1803 Sitz der Pfleger desselben.

Das heutige Gebäude geht auf einen Umbau von 1594 unter dem Fürstabt Adam Renner von Almendingen zurück. 1652, 1695/96 und 1712 fanden größere Reparaturen statt.
Seit 1805-1976 als Gasthof "Zum Schwanen" geführt, versehen mit einem Wirtsschild, schmiedeeiserner Ausleger mit aufgemaltem Schwan. Im Jahre 1965 von der Marktgemeinde Unterthingau mit DM 100.000 erworben, nachdem es seit 1805 im Privatbesitz der Familie Stöckle-Steichele war, wurde es 1976-79 mit einem Kostenaufwand von etwas über 2 Mio. DM renoviert.
Die Eigenleistung der Marktgemeinde betrug 1,4 Mio. DM, der Rest wurde vom Landesamt für Denkmalspflege u.a. gedeckt.

Entbehrungen:

Dr. Eberl hat in der Pfarrflur Unterthingau Fliehburgen aus der Zeit der Ungarneinfälle festgestellt (10. Jahrhundert). In ihnen weilten die Leute tagelang mit Vieh und Habe. Im Bauernkrieg 1525 ist der "Thingauer Haufen" erwähnt. Es war besonders der Pfarrvikar Hans Unsinn in Oberthingau, ein abtrünniger Priester, der die Bauern aufwiegelte. Beim Durchmarsch über Thingau ließ der "Bauernjörg" Truchseß von Waldburg einige Bauernhauptleute zum abschreckenden Beispiel enthaupten. 1628-1630 hält die Pest ihren Ein- und Umzug.

1632/34 durchziehen die Schweden den Flecken, in dem es an mehreren Stellen brennt, viele Anwesen standen öde. Hungersnot und Teuerung waren die Folgen.
1696 geht vom Schlossstadel Hs.-Nr. 98 ½ (Marktplatz 7) die große Feuersbrunst aus; sie legte 23 Anwesen rechts der Ach in Asche.
1745 lag während des österreichischen Erbfolgekrieges General Bärenklau mit 14.000 Mann vier Tage lang beim Zehentstadel Hs.-Nr. 99 (Grüntenstr. 17).
1799-1814 hatte der Flecken und seine umliegenden Orte fast alljährliche Einquartierungen längerer Dauer von Freund und Feind.
25. Februar 1803: Reichsdeputationshauptbeschluss. Das Fürstentum Kempten und das Hochstift Augsburg werden dem Kurfürsten von Bayern, seit 12.01.1806 König von Bayern, zugesprochen, als Entschädigung für abgetretenes Gebiet auf dem linken Rheinufer an Frankreich (Säkularisation).
So wurden unsere Vorfahren über Nacht bayerisch und wir mit ihnen.

1804 muss das Pflegamt Thingau seine Tätigkeit als Verwaltungs- und Gerichtsbezirk einstellen. Seine Befugnisse gehen über auf das neugebildete Landgericht Obergünzburg und an das Rentamt Kempten. 1805/06 einigt man sich bezüglich der Vereinödung.
Am 17. Mai 1818 erhalten die Gemeinden Selbstverwaltungsrecht und freies Wahlrecht der Ortsvorsteher. Im Jahre 1873 gliedert sich Unterthingau dem Bezirksamt Markt Oberdorf und dem Amtsgericht Obergünzburg ein. 1891 erfreut man sich an der neuen Wasserleitung.
1918-1933 lebt man im Freistaat Bayern. 1918-1923 ist die Zeit der Geldinflation.
1921 beginnt die elektrische Licht- und Kraftversorgung.

1931-1938 werden Ach, Reichenbach, Salachter und Höllgraben vertieft und verbreitert unter Inanspruchnahme des freiwilligen Reichsarbeitsdienstes.
1933-1945 Volksgenossen im Großdeutschen Reich.

Am 1. Januar 1978 fand die Eingemeindung der Gemeinden Reinhardsried und Oberthingau in die Marktgemeinde Unterthingau statt.

Die Wappen

Das Siegelwappen

Das um 1465 in Thingau errichtete Dorfgericht des Stiftes Kempten besaß schon im 16. Jahrhundert ein Siegel, dessen Führung bis in das späte 18. Jahrhundert urkundlich nachgewiesen werden kann.

Inmitten der Umschrift S IVDI CY IN TINGOW auf verschlungenem Band steht ein Wappenschild, der vorne eine Teilung, hinten eine kleine Blume an einem senkrechten, beblätterten, aus einem Dreiberg aufwachsenden Stengel zeigt.

Die linke Schildhälfte bezieht sich auf die Wappenfarben von Kempten (Rot und Blau); die Mohnblume, die vom Wappenkundler Zimmermann für eine Enzianpflanze, von Anderen jedoch für eine Tulpe gehalten wird, ist nicht zu erklären.

Das Gemeindewappen

In blau zwei rote Mohnblumen an schräggekreuzten, beblätterten grünen Stengeln.

Nach der Säkularisierung des Reichsstiftes musste das bisherige Gerichtssiegel wegen des heraldischen Hinweises auf die frühere Territorialzugehörigkeit und der Änderung der Gerichtsorganisation beiseitegelegt werden.

In sehr freier Anlehnung an das bisherige Bild, verfügte das Staatsministerium des Inneren am 16. Oktober 1813 durch Rescript Nr. 13569, dass das neue Wappen des Marktes Unterthingau "in einem blauen Schild, in dem sich zwei über das Kreuz gelegte rote Kornblumen mit grünen Stängeln und Blättern befinden, bestehen solle". Die nachträglich von der Gemeinde beigefügten Zutaten, eine Rosengirlande über und ein Palmzweig schräg hinter dem Schild, mussten wieder aufgegeben werden.

Raisers und Kramers Abbildungen folgen dem der Verleihung zugrundegelegten Entwurf, im Text sprechen sie bereits von "Mohnblumen". Dass es sich um solche, nicht aber um Kornblumen handelt, hat ein Gutachten des RHA vom 25. Juli1914 endgültig festgestellt.

Die Weiler

Haugen

Heuwang

Hintermoos

Jägermühle